Erzeugung ähnlicher Oberflächenstrukturen auf Gesteinsfragmenten mittels zweier verschiedener geologischer Prozesse: plastische Deformation durch Faltung und durch ein Impaktereignis
Im Rahmen meiner Diplomarbeit wird ein gering verfestigter Diamikt vom südlichsten Teil des Diapirs von Peñacerrada in der Sierra de Cantabria (NE-Spanien) mit den sog. Bunten Trümmermassen des Impaktkraters Nördlinger Ries (Süddeutschland) verglichen. Trotz der verschiedenen Entstehungsprozesse sind ähnliche Oberflächenstrukturen auf Kalkstein-fragmenten entstanden.In einem Aushub, der etwa 65 m lang und bis 3,5 m tief ist, wurden intensiv rot gefärbte Sedimente untersucht. Die Matrix besteht aus triassischen Salzpeliten mit rotem Ton und Schluff, bipyramidalen Quarzen, Basaltbruchstücken und Sand. In der Matrix schwimmen cm bis viele dm große, kantige bis kantengerundete Kalksteine aus der Oberkreide. Meist haben sie einen Durchmesser von 7 bis 20 cm. Selten wurden kleine, zu Sand zerfallende Kalksandsteine gleichen Alters beobachtet.An der Wende Eozän/Oligozän ist die Sierra de Cantabria im Zuge der Pyrenäenfaltung herausgehoben worden. Dabei wurden neben Kreidesedimenten vermutlich auch die südlichen Teile des Diapirdaches in einer auf das Ebro-Becken aufgeschobenen Antikline unter hohem, allseitigen Druck plastisch deformiert. Die wenig verfestigten Keuperpelite dienten dabei als Gleit- und Poliermittel, in festeren Bereichen entwickelten sich vereinzelt Harnischflächen. An Berührungspunkten von Kalksteinkomponenten entstanden Drucklösungsdellen oder sie zerbrachen. Es kommen Zerrbrüche vor, welche die Fragmente vollständig und unvollständig durchziehen. Die Bruchstücke rotierten, wurden leicht versetzt oder zerbrachen in kleinste Komponenten und verheilten teilweise mit spätigem Calcit. HIPPOLYTE (2001) gibt noch weitere Beschreibungen ähnlicher Gesteine unterschiedlicher Lokalitäten an und bezeichnet solche tektonisch gebrochenen Komponenten als die charakteristische Deformation von schwach verfestigten konglomeratischen Sedimenten, die durch den Kontrast hart-weich hervorgerufen werden.Sehr auffällig ist die gekritzte Kalksteinoberfläche. Diese Gravuren entstanden bei der unterschiedlichen Bewegung von Komponenten und Matrix, wobei härtere Partikel aus der Matrix deutliche Spuren auf Oberflächen weicherer Komponenten hinterlassen haben. Sie verlaufen meist als parallele, gerade Scharen, es kommen aber auch gebogene Kritzer vor. Vergleichbare, wenige mm lange Kritzer beschreibt HIPPOLYTE (2001) auf wenig verfestigten Konglomeraten. Auf den aus Spanien stammenden Handstücken lassen sich fast immer mehrere Striemungsrichtungen feststellen. Teilweise durchkeuzen sie sich. Nicht selten stecken die verursachenden Quarz- und Feldspatkörner noch am Ende des Kritzers im Gestein fest. Nur die Basalte haben einen mm dünnen, im Bruch dunkelroten, an der Außenseite schwärzlich glänzenden, polierten Überzug aus Calcit und rotem Ton. Möglicherweise handelt es sich um Calciumkarbonat, welches im Druckschatten der rauhen, gebrochenen Basaltflächen kristallisiert ist. Diese Oberfläche zeigt immer eine sehr feine Striemung, deren Richtung variieren kann.Mit Hilfe des REM werden diese Spuren mit den feinen, parallelen Gravuren auf Malmkalkfragmenten aus den sedimentären Auswurfmassen des Nördlinger Rieses verglichen. Schon CHAO (1976) beschrieb eckige Kalksteinbruchstücke aus den Bunten Trümmermassen des Rieses, welche eine Feinstriemung auf ihrer oft wachsartig glänzenden Oberfläche besitzen bzw. spiegelblank poliert sind. Ferner kommen Komponenten vor, die keine durchgehenden Brüche besitzen und einen wechselnden Versatz entlang einer Bruchfläche haben. CHAO (1977) ist der Ansicht, daß nur ein hoher Umschließungsdruck in Verbindung mit einer plastischen Deformation bei der Kraterbildung die Polierung und Striemung verursachen konnte. Bei der Deformation gebrochene und leicht versetzte Komponenten wurden von einer feinkörnigen Matrix zusammengehalten. In den Bereichen der Bunten Trümmermassen, in denen man gestriemte Kalksteine finden kann, liegen kleinere und größere Gesteinstrümmer unsortiert in einer tonigen, schwach sandigen Grundmasse. Auch bei den gekritzten Kalksteinen des Nördlinger Ries stecken häufig die Mineralkörner (meist Quarz, Feldspat) am Ende der Kritzer noch im Gestein.Bei der rasterelektronischen Untersuchung der Gesteinsoberflächen aus Spanien und dem Ries haben sich deutliche Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede gezeigt. An beiden Lokalitäten wurden in Kalkstein eingedrückte und zerbrochene Quarzfragmente, Kritzer mit Mineralkörner (meist Quarz oder Feldspat), polierte, kantige bis kantengerundete Gesteinsfragmente, gekreuzte Striemungsspuren, gebogene Kritzer durch Abbrechen von Mineralfragmenten und entgegen der Striemungsrichtung, treppenartig aufsteigende Abbruchkanten nachgewiesen.Im Gegensatz dazu wurden in Spanien auch Kritzer mit Drucklösungsspuren am Frontkontakt von Kalkstein/Mineralkorn gefunden. Teilweise sind cm große Basaltbruchstücke in den Oberkreidekalk durch Drucklösung eingepreßt. Die Kritzer haben keine oder nur eine geringe Richtungsänderung erfahren und Basalte haben einen dunklen, calcitischen Überzug.Die Gesteinsfragmente des Nördlinger Ries unterscheiden sich durch eine erheblich feinere Politur der dichten Kalksteinoberflächen. Die Bewegungsabläufe waren im Nördlinger Ries um ein Vielfaches komplexer, wobei Kritzer entstanden, die schleifenförmig, gezackt oder pulsierend (d. h. durch Variation der Bewegungsrichtung senkrecht zur Gesteinsoberfläche) sein können. Kollisionen und Brüche verschiedener Körner, welche die gleiche Richtung haben, weisen auf unterschiedliche Kritzgeschwindigkeiten auf der Oberfläche hin. Die Gravuren der Körner aus dem Nördlinger Ries können erheblich kleiner sein. Möglicherweise hängt dies mit Anlösung und Verwitterung bzw. mit der gröberen Körnigkeit der Kalksteine aus NE-Spanien zusammen.Für die beschriebenen Sedimente am südlichen Diapirrand von Peñacerrada wird eine rein tektonische Entstehung angenommen. Es ist bemerkenswert, wie ähnlich sich die sehr viel langsamer entstandenen Oberflächen aus NE-Spanien mit denen des Nördlinger Rieses sind.ReferencesCHAO, E.C.T. (1976): Mineral-produced high pressure striae and clay-polish: Key evidence for nonballistic transport of ejecta from Ries Crater.- Science, 194: 615-618, Washington.CHAO, E.C.T. (1977): The Ries crater of southern Germany a model for large basins on planetary surfaces.- Geol. Jb., A 43, Hannover.HIPPOLYTE, J.-C. (2001). Palaeostress and neotectonic analysis of sheared conglomerates: Southwest Alps and Southern Apennines.- Jour. Struct. Geol., 23: 421-429.